Kapitel 1 – Der Keks, der keiner war
Samstagmorgen. Die Sonne kroch langsam über Neufahrn, und im Haus der Familie Dschordschi herrschte rege Betriebsamkeit.
Während der Vater – im zivilen Leben IT-Architekt und Experte für alles, was andere „kompliziert“ nannten – noch in der Küche mit seiner Espressomaschine rang, waren Lunara und Pixel bereits im Einsatz.
„Lunara, guck mal! Das Ding auf Papas iPad… das sieht aus wie ein Keks! Aber es ist kein Keks. Es fragt, ob es Daten speichern darf. Komisch, oder?“
Lunara, die sich selbst „Informationspfadfinderin“ nannte, runzelte die Stirn. „Das ist ein Cookie-Banner. Aber wieso sieht der aus wie ein Keks mit Augen?“
Pixel kicherte. „Weil Papa vergessen hat, den Ad-Blocker zu aktivieren.“
Sie tippten – doch statt zu verschwinden, öffnete sich plötzlich ein Fenster, das gar nicht da sein sollte. Ein schwarzer Bildschirm, darauf nur eine blinkende Zeile:
„Datenzugriff erkannt. Projekt 0xWOLF aktiv. Zugang verweigert.“
Sie schauten sich an.
Pixel: „Meinst du… das ist eins von Papas alten Sachen?“
Lunara: „Meinst du… das dürfen wir öffnen?“
Sie schwiegen kurz.
Beide gleichzeitig: „Wir tun’s trotzdem!“
Kapitel 2 – Der Geheimspeicher
Sie folgten den Spuren. Auf dem NAS-Laufwerk im Keller – einem Staubmagnet mit Lüftergeräuschen wie ein alter Kleinwagen – fanden sie einen Ordner mit dem Titel „Nur öffnen, wenn du wirklich weisst, was du tust.“
Natürlich klickten sie drauf.
Darin: Eine verschlüsselte Datei. Ein Audio-File. Passwortgeschützt.
Lunara: „Papa benutzt immer was mit Mathematik oder Sci-Fi… Probier mal ‘Rhodan42’!“
Pixel: „Oder ‘LambdaLambdaEins’?“Schließlich versuchten sie: „LunaraUndPixel2025“
Die Datei spielte ab. Die Stimme ihres Vaters – jünger, aber vertraut:
„Wenn ihr das hört, dann seid ihr bereit.
Ich habe ein paar Dinge gespeichert, die niemand finden sollte. Nicht einmal ich.
Aber wenn sie auftauchen, dann weiß ich: Ich kann mich auf euch verlassen.
Ihr seid klug. Und mutig. Und ich bin sehr stolz auf euch.“
Stille.
Dann erschien ein zweites Fenster:
„Spur von fremdem Zugriff erkannt.
Ursprung: [DELMEM – instabil].
Risiko: hoch.“
Pixel flüsterte: „Papa hat DELMEM damals doch gestoppt…“
Lunara sagte nur: „Er hat’s versucht. Jetzt müssen wir übernehmen.“
Kapitel 3 – Im Netz der Erinnerung
Mit einem Trick aus Papas alten Unterlagen – einem Python-Skript, das wie eine Mischung aus Origami und Schachrätsel wirkte – gelangten sie in das Archivnetzwerk. Dort bewegten sie sich durch Erinnerungsfragmente: alte Textdateien, Bilder von Schulhöfen, Gesprächsschnipsel aus längst gelöschten Handys.
Aber eines stach hervor: Eine Datei mit dem Titel
„Das verschlüsselte Versprechen – Rückstand 1“
Als sie sie öffnen wollten, stoppte sie ein digitales Wesen – ein leuchtendes, amorphes Etwas aus Rauschen und Schatten.
„Ihr seid nicht autorisiert. Ihr seid zu jung. Ihr versteht nicht, was ihr zerstören könntet.“
Pixel schob die Brille hoch. „Vielleicht. Aber wir wissen, was es bedeutet, zu vergessen.“
Lunara trat vor. „Und wir wissen, was es heißt, sich zu erinnern. An Menschen. An Werte.“
Sie kombinierten Papas Zugangscodes mit ihren eigenen Ideen. Während Lunara visuelle Muster erkannte, setzte Pixel gezielt Kompressionsroutinen ein, um die Signatur des Fremdzugriffs zu entlarven.
Schließlich: Zugriff gewährt. Die Datei öffnete sich.
Drin: Eine letzte Botschaft von einem ehemaligen Entwickler von DELMEM.
Eine Warnung. Ein Geständnis. Und ein Schlüssel zur vollständigen Deaktivierung.
Kapitel 4 – Papa wacht auf
Dschordschi saß noch immer in der Küche, als die Kinder zurückkehrten. Die Espressomaschine dampfte endlich. Er schaute auf, etwas überrascht.
„Ihr wart aber ruhig heute… alles gut?“
Pixel lächelte. „War nur ein Schulprojekt über Speicherstrukturen.“
Lunara schob das Tablet auf den Tisch. „Wir haben eine Sicherung erstellt. Für dich.“
Er sah die Datei. Die Metadaten. Den Zugriff.
Er wusste sofort, was sie getan hatten.
Und er lächelte – dieses ruhige, stolze Lächeln, das nur Menschen haben, die wissen, dass ihre Kinder ihren eigenen Weg gehen werden.
Epilog – Weitergabe
Später an diesem Abend, als der Himmel über Neufahrn violett leuchtete, saßen die drei auf der Terrasse.
„Papa?“ fragte Pixel.
„Hm?“
„Bist du jetzt eigentlich in Rente?“Dschordschi schmunzelte.
„Vielleicht. Oder vielleicht werde ich ab jetzt nur noch als Support gebraucht.“Lunara sagte leise:
„Keine Sorge. Wir rufen dich nur, wenn’s wirklich ernst wird.“
Sie stießen mit Himbeerschorle an.
Und über ihnen flog eine Sternschnuppe – wie ein blinkender Cursor in der Kommandozeile des Universums.