Kapitel 1 – Der Samstag des Grauens
Es war einer dieser goldenen Herbsttage, an denen ganz Neufahrn im Kürbiswahn lag.
Vor jedem Haus standen orangefarbene Monsterfratzen, Kinder liefen mit Gummispinnen durch die Straßen, und Mel K hatte schon seit Tagen Kürbissuppe auf dem Herd.
„Dschordschi“, rief sie vom Balkon, „wir schnitzen heute alle gemeinsam! Lili, Lukas – und du auch!“
Dschordschi, der am Küchentisch saß, starrte auf ein Tableau aus Messern, Löffeln und fünf unförmigen Kürbissen.
Er seufzte tief.
„Ich kämpfe lieber gegen die dunklen Mächte des Chaos, als hier stundenlang in Gemüse zu bohren“, murmelte er.
„Wie bitte?“ fragte Mel K mit erhobener Augenbraue.
„Äh… ich meinte: Ich freu mich schon drauf!“
Doch innerlich war klar: Der Weisse Wolf hatte andere Pläne.
Kapitel 2 – Ruf der Nacht
Als die Sonne unterging und der Geruch von Kürbissuppe durchs Haus zog, schlich Dschordschi auf den Balkon, sah in den dunkler werdenden Himmel und spürte, wie sich etwas in ihm regte.
Ein leises, vertrautes Brummen erfüllte die Luft – das Signal seines alten Detektionssystems.
„Einbruchsalarm… im Gewerbegebiet Nord.“
Er grinste.
„Das ist mein Halloween.“
Zehn Minuten später war er unterwegs.
Die Nachbarn sahen nur kurz einen Schatten über die Straße huschen – den Weissen Wolf, wie er in der Dämmerung verschwand.
Kapitel 3 – Die Jagd beginnt
Im Gewerbegebiet herrschte Stille. Nur der Wind spielte mit einem Plastik-Skelett, das jemand an eine Laterne gehängt hatte.
Zwischen den Lagerhallen flackerte schwaches Licht.
„Zu einfach“, dachte Dschordschi, als er sich näherte.
Drinnen: drei Gestalten, in dunklen Jacken, mit Werkzeugtaschen.
Einbruch. Routinejob.
Er trat aus dem Schatten – und seine Stimme hallte durch die Halle:
„Feierabend, Jungs. Der Weisse Wolf hat euch im Kalender.“
Die Männer drehten sich um, einer lachte nervös.
„Was bist du denn – ’n Karnevalskostüm?“
Dschordschi seufzte. „Das sagen sie alle.“
Dann ging alles schnell: ein Sprung, ein Griff, ein Tritt – die gewohnte Eleganz des Wolfs im Einsatz.
Doch beim Ausweichmanöver über eine Palette krachte es.
Ein unachtsamer Schritt, eine falsche Drehung – ein Schmerz zog durch seine Hüfte, heiß und blitzartig.
Kapitel 4 – Wenn Helden alt werden
„Verdammt!“
Er knirschte mit den Zähnen, hielt sich am Regal fest.
Die Einbrecher waren schon geflohen – das war ihm egal.
Er spürte, dass etwas nicht stimmte.
Er hinkte zum Ausgang, stieg in den Wagen und fuhr langsam nach Hause.
Im Rückspiegel sah er sein Spiegelbild – der maskierte Held mit einem Hauch von Müdigkeit in den Augen.
Zuhause empfing ihn Mel K an der Tür.
„Na, hast du wenigstens EINEN Kürbis geschnitzt?“
„Äh… nicht ganz. Aber ich hab einen Einbruch verhindert.“
„Und dir dabei wehgetan?“
„Nur ein bisschen.“
Er setzte sich aufs Sofa, zog die Maske ab und massierte seine Hüfte.
Kapitel 5 – Diagnose Zukunft
Zwei Tage später stand er beim Arzt.
„Hm“, sagte der Doktor, „Sie sind topfit für Ihr Alter, aber die Hüfte – die hat was abbekommen.
Vielleicht sollten Sie’s mal ruhiger angehen lassen.“
„Ruhiger?“ Dschordschi grinste. „Das sagen sie alle.“
Doch tief in seinem Inneren wusste er: Der Wolf konnte nicht ewig so weitermachen.
Er war nicht aus Stahl.
Noch nicht.
Epilog – Das leise Surren
In der Nacht saß er wieder auf dem Balkon, sah in den Himmel und hielt den Kühlakku an die Hüfte.
Drinnen standen die geschnitzten Kürbisse auf der Fensterbank und grinsten ihn an.
„Ihr habt gewonnen“, sagte er schmunzelnd. „Aber das war’s noch nicht.“
In seinem Arbeitszimmer blinkte ein Licht.
Ein Entwurf, den er vor Jahren begonnen hatte:
Projekt Lykon – Bionische Regeneration für außergewöhnliche Belastung.
Er lächelte.
„Vielleicht wird’s Zeit für ein Upgrade.“
Der Wind wehte leise durch die Nacht.
Und irgendwo im Schatten glomm das Zeichen des Weissen Wolfs – heller als jede Kürbisfratze.

