Es war ein seltener Moment der Ruhe. Dschordschi – im Alltag Mathematiker, Informatiker und Familienvater – hatte beschlossen, mit seiner Familie den Sommerurlaub in Prerow an der Ostsee zu verbringen. Weite Strände, endlose Dünen, das leise Rauschen der Wellen – ein idealer Ort, um den Anzug des Weissen Wolfs für ein paar Tage an den Haken zu hängen. Doch wie so oft, wenn Helden Urlaub machen, ließ das Abenteuer nicht lange auf sich warten.
Ein unerwarteter Fund
Eines Morgens, während Dschordschi barfuß am Strand entlangging, fiel sein Blick auf etwas, das aus dem Sand herausragte. Es war kein gewöhnlicher Bernstein, wie man ihn hier oft finden konnte, sondern ein Stück, das in seltsamen Linien schimmerte – fast wie ein verschlüsseltes Muster. Sofort regte sich der Wissenschaftler in ihm: Die geometrischen Formen erinnerten an Fraktale, Strukturen, die er sonst in seinen mathematischen Modellen analysierte.
Er steckte den Stein in die Tasche, doch schon am Nachmittag bemerkte er, dass er nicht allein war. Zwei Männer in dunklen Anzügen, viel zu schick für den Strand, schienen ihm unauffällig zu folgen.
Die Legende vom Bernstein
Zurück in der Ferienwohnung las Dschordschi in alten Geschichten über die Region. Eine Legende sprach von einem „Herz aus Bernstein“, das einst die Küstenbewohner vor Piraten schützte. Das Artefakt sei aber im Sturm der Jahrhunderte verschwunden. Manche glaubten, es liege zerbrochen an der Küste verstreut, andere, dass es von Fremden entwendet wurde.
Der Weisse Wolf war sich sicher: Der Bernstein in seiner Tasche war Teil dieses alten Artefakts. Und offenbar war er nicht der Einzige, der das wusste.
Verfolgung durch die Dünen
Am nächsten Abend schlenderte er am Darßer Weststrand entlang, als er plötzlich Stimmen hörte. Die beiden Männer waren wieder da – und sie waren nicht allein. Eine ganze Gruppe in dunkler Kleidung bewegte sich durch die Dünen. In ihren Händen blitzten Geräte, die eher an Hightech-Metallscanner erinnerten als an Urlaubsspielzeug.
Es war Zeit, den Wolf hervorzuholen.
Hinter einer Kiefer legte er seine Alltagskleidung ab, zog die Maske über das Gesicht, das Fell des Kostüms straffte sich im Wind – und der Weisse Wolf stand bereit.
Mit geübter Schnelligkeit huschte er über den Strand, seine Schritte kaum hörbar auf dem Sand. Ein einzelner Mann, der offenbar Wache stand, drehte sich um – und sah nur noch ein weißes Schimmern, bevor er bewusstlos zu Boden ging.
Der verborgene Bunker
Die Spur führte zu einem alten Bunker, tief im Darßwald versteckt. Die Männer hatten dort eine provisorische Kommandozentrale errichtet. Auf den Bildschirmen flimmerten Karten der Ostseeküste, versehen mit Markierungen. Offenbar suchten sie nach allen Reststücken des Bernstein-Herzens.
„Wenn wir es zusammensetzen, gehört uns die Küste,“ hörte der Weisse Wolf den Anführer sagen. „Mit der Energie, die darin gespeichert ist, können wir die Häfen kontrollieren – niemand wird uns aufhalten.“
Ein Kampf im Sturm
In dieser Nacht zog ein schwerer Sturm auf. Wind peitschte den Regen über den Strand, die Ostsee türmte sich in hohen Wellen. Genau in diesem Chaos schlug der Weisse Wolf zu. Mit blitzschnellen Bewegungen sprang er von den Dünen herab, direkt zwischen die Männer.
„Das Herz der Küste gehört nicht euch!“ rief er, während er die ersten Angreifer mit geübten Griffen ausschaltete.
Die Dunkelmänner hielten dagegen, einer von ihnen zog sogar eine Art elektromagnetische Waffe hervor. Doch der Sturm war auf der Seite des Wolfs: Jeder Blitz erhellte die Szene und verwirrte die Gegner, während der Held sich bewegte wie ein Schatten im Wind.
Schließlich stand er dem Anführer gegenüber, einem bulligen Mann mit kahlgeschorenem Kopf und kalten Augen. Dieser hielt die Bernsteinfragmente in den Händen, die nun im Sturm zu leuchten begannen.
„Zu spät, Wolf! Die Macht des Bernsteins gehört mir!“
Doch er hatte nicht mit Dschordschis Verstand gerechnet. Statt blindlings anzugreifen, aktivierte der Wolf das mathematische Muster, das er in den Linien erkannt hatte. Mit einer schnellen Bewegung legte er die Fragmente so zusammen, dass sich das Leuchten in einem sanften Strahl bündelte – und den Schurken zurückwarf.
Frieden am Strand
Als der Sturm sich legte, war der Bunker leer, die Dunkelmänner geflohen. Nur das Herz aus Bernstein lag still im Sand, warm und friedlich. Der Weisse Wolf nahm es behutsam auf, brachte es in das kleine Museum des Ortes und übergab es dort mit den Worten:
„Manche Schätze gehören nicht Einzelnen, sondern allen.“
Am Abend saß Dschordschi wieder als einfacher Urlauber in seinem Schrebergarten an der Ferienwohnung, öffnete ein kühles Bier und hörte das ferne Rauschen der Wellen. Niemand ahnte, dass die Küste in dieser Nacht nur dank ihm sicher geblieben war.
Und tief in seinem Inneren lächelte er: Der Weisse Wolf konnte selbst im Urlaub nicht lange stillsitzen – aber genau das machte ihn aus.