Prolog – Ein ganz normaler Dienstagabend

Der Regen prasselte sanft gegen das Fenster von Dschordschis kleinem Arbeitszimmer. Draußen glitzerten die Straßenlaternen von Neufahrn auf dem nassen Asphalt. Drinnen roch es nach frischem Kaffee – und einer Spur Lötzinn vom Nachmittag.
Der studierte Mathematiker und Informatiker, tagsüber in der IT-Branche tätig, war in seinem Element.
Er tippte konzentriert auf seiner Tastatur, das flackernde Licht des Monitors spiegelte sich in seinen Brillengläsern.

Es war einer dieser Abende, an denen er eigentlich nur ein paar Routinetests für einen Kunden durchlaufen lassen wollte. Aber wer den Weissen Wolf kannte, wusste: Routine kann jederzeit in Abenteuer umschlagen.


Kapitel 1 – Der seltsame Code

Um 21:42 Uhr bemerkte er es: ein ungewöhnliches Datenpaket, das in unregelmäßigen Abständen auftauchte. Es war klein, kaum 512 Byte, aber es wiederholte sich über mehrere Netzwerke hinweg – Netzwerke, die eigentlich voneinander isoliert waren.
„Das ist kein Zufall“, murmelte Dschordschi.
Er verfolgte den Ursprung. Jeder Sprung führte ihn tiefer in ein verschachteltes Netz aus anonymisierten Servern, TOR-Knoten und verschlüsselten Tunneln.
Und dann… tauchte eine Adresse auf. Neufahrn bei München.

Er lehnte sich zurück. „Das ist doch nicht möglich.“
Ein letzter Befehl – und schon blinkte auf der Karte sein Ziel: eine unscheinbare Lagerhalle im Industriegebiet.


Kapitel 2 – Die Nacht ruft

Er griff zum Rucksack. Drinnen: ein Tablet mit Spezialsoftware, ein paar Tools für „mechanische Probleme“ – und sein Superheldenanzug.
In wenigen Minuten hatte er sich verwandelt. Das freundliche Gesicht des IT-Experten war verschwunden, an seiner Stelle stand der Weisse Wolf: weiß-grauer Anzug mit dem Wolfskopf-Emblem auf der Brust, Maske mit den markanten Ohren, und der leicht verschmitzte Blick eines Mannes, der wusste, was er tat.

Die Straßen waren um diese Uhrzeit still. Nur das gleichmäßige Brummen der Straßenbeleuchtung und das gelegentliche Rattern eines vorbeifahrenden Güterzugs begleiteten ihn, als er sich dem Industriegebiet näherte.


Kapitel 3 – Die Lagerhalle

Die Halle sah verlassen aus – rostiges Tor, Graffiti an den Wänden, ein umgestürzter Einkaufswagen in einer Pfütze.
Aber der Wolf bemerkte sofort: Die Tür war nur angelehnt.
Er glitt hinein – geräuschlos wie sein Namensvetter.

Drinnen war es dunkel, nur in der Ecke blinkte schwach ein einzelner Monitor. Er stand auf einem improvisierten Tisch, daneben ein Kühlschrank.
Der Weisse Wolf öffnete ihn reflexartig – und lachte leise. Drinnen standen acht Flaschen Helles aus einer Münchner Brauerei.
„Immerhin jemand mit Geschmack“, murmelte er.

Als er sich dem Bildschirm näherte, leuchteten plötzlich Worte auf:

„Willkommen, Weisser Wolf. Wir beobachten dich.“


Kapitel 4 – Der erste Kontakt

Der Wolf tippte ein paar Zeilen, um den Ursprung der Nachricht zu ermitteln – keine Chance. Der Text kam direkt vom Monitor, nicht aus dem Netz.
Dann flackerte das Bild, und eine schemenhafte Gestalt erschien. Keine klaren Konturen, nur ein verzerrter Umriss, wie durch statisches Rauschen gezeichnet.

„Du bist schneller hier, als wir dachten“, sagte die Stimme, tief und seltsam hallend.
„Wer seid ihr?“
„Nennen wir uns… Aurora. Wir haben ein Auge auf Neufahrn. Und jetzt auch auf dich.“

Bevor er reagieren konnte, begann der Monitor, Datenströme anzuzeigen – Bewegungen, Kamerabilder, Funksignale. Alles in Echtzeit. Die Reichweite? Mehrere Kilometer.
„Was wollt ihr?“
„Das wirst du früh genug erfahren. Aber denk daran: Jeder Funke, der hier gezündet wird, kann ein Feuer entfachen.“


Kapitel 5 – Der Stromausfall

Plötzlich ging das Licht aus – nicht nur in der Halle, sondern auch draußen. Das ganze Industriegebiet lag im Dunkeln.
Der Wolf hörte das ferne Kreischen von Reifen, das Rumpeln eines entgleisenden Einkaufswagens, irgendwo rief jemand.
Er aktivierte die Notbeleuchtung seines Helms und rannte hinaus.

Er sah, wie ein Lieferwagen ohne Licht durch die Straßen raste. Auf der Ladefläche – ein kleiner, abgeschirmter Serverkäfig.
„Das muss der Ursprung sein!“

Der Wolf sprintete los, kletterte über einen Zaun und nahm die Verfolgung auf. Aber der Wagen verschwand in der Ferne, noch bevor er ihn einholen konnte.


Kapitel 6 – Zurück im Schrebergarten

Später in dieser Nacht saß Dschordschi wieder in seinem Schrebergarten. Der Regen hatte aufgehört, die Luft roch nach nasser Erde. Er öffnete eine Flasche Bier, nahm einen Schluck und starrte in die Dunkelheit.
Aurora. Ein Name, ein Phantom, eine Drohung.
Er wusste: Das war erst der Anfang.
Und irgendwo da draußen beobachtete ihn jemand.


Auf seinem Handy erschien eine neue Nachricht – ohne Absender:

„Zug 1 – Springer auf C3.“