Prolog – Das Rauschen
Der Regen fiel in gleichmäßigen Tropfen auf das Dach des alten Hauses in Neufahrn bei München.
Drinnen saß Dschordschi, ein Stapel alter Perry-Rhodan-Hefte auf dem Schoß, ein dampfender Kräutertee daneben.
Er hörte das Prasseln – wie ein Rhythmus, den nur Eingeweihte hören konnten.
Ein Echo vergangener Zeiten. Oder ein Ruf?
Im Garten bewegte sich Madame Green Thumb vorsichtig zwischen den Beeten.
Die Blätter zitterten leicht – aber nicht vom Regen.
Es war, als wollten sie flüstern: „Es kommt etwas…“
Kapitel 1 – Die Anomalie
Es war Pixel, der sie fand: eine Datenanomalie in den Wetterdaten der letzten Woche.
„Papa, schau! Die Luftdruckwerte tanzen wie ein Morsecode. Und sie wiederholen sich alle 173 Minuten exakt gleich.“
Dschordschi sah sich das Muster an – und sein Bauchgefühl sagte: Das ist kein Fehler.
Gemeinsam mit Lunara hackte er sich in einen verlassenen Satellitenserver, den einst ein Universitätsprojekt betrieben hatte.
Dort fanden sie die Ursprungssignatur – tief kodiert, mit veralteter Verschlüsselung, aber einer klaren Kennung:
CHRONO-9X – Archivierungseinheit, aktiv seit 2127 n. Z.
„Zeitspeicher stabil – Suche nach Primärziel läuft…“
Kapitel 2 – Der Auftrag
Madame Green Thumb legte ihre Hand auf einen Ahornstamm.
Ein leichtes Zittern durchlief den Boden. Die Natur erinnerte sich.
„Der Zeitstrom wurde berührt“, flüsterte sie.
„Und das Gleichgewicht schwankt.“
Dschordschi nickte.
„Wenn die Zeit manipuliert wird, ist nichts mehr verlässlich. Entscheidungen, Liebe, Fehler – alles wird… optional.“
Lunara fasste einen Entschluss:
„Dann gehen wir dorthin, wo es begonnen hat. In die Quelle.“
Pixel grinste.
„Ich hab schon ein Gerät gebaut. Na ja, halbfertig. Aber es blitzt.“
Kapitel 3 – Der Sprung
In einer alten Scheune, unter der noch ein Raum existierte, den niemand kannte, bauten sie das Zeitstimmgerät.
Ein wildes Konstrukt aus antiken Funkteilen, Holz, Kristallen und einem Tropfen reinen Lavendelöls.
Als der Blitz einschlug – zufällig oder Schicksal – wurden sie nicht durch Raum bewegt, sondern durch Bedeutung.
Sie landeten nicht in einer anderen Epoche, sondern in einem Zustand:
Einem „Jetzt“, das unentschieden war.
Eine Welt aus verpassten Chancen, vergessenen Möglichkeiten, offenen Fragen.
Kapitel 4 – Die Welt der Vielleicht
Die Luft war blau. Nicht das Blau des Himmels, sondern das von Gedanken, kurz bevor sie gedacht werden.
In dieser Welt begegneten sie sich selbst – aber nicht wie in einem Spiegel.
Sondern als das, was hätte sein können.
- Dschordschi, der Mathematikprofessor, ohne Familie, allein im Elfenbeinturm.
- Mel, die Umweltaktivistin auf Weltreise, nie sesshaft geworden.
- Lunara, verschlossen, unsicher, nie ermutigt worden zu träumen.
- Pixel, vernachlässigt, verloren in virtuellen Welten.
Diese Begegnung war kein Kampf – aber ein Schmerz.
„Seht“, sagte eine Stimme, die aus dem Licht kam.
„Jede Entscheidung erschafft Welten. Und jede unterlassene auch.“
Kapitel 5 – Die Chronofalle
Sie fanden die Maschine tief unter einem Kristallberg:
Ein still pulsierendes Gerät, gespeist von all den Möglichkeiten, die nie Wirklichkeit wurden.
Ein Archiv des Was-wäre-wenn.
Ein Wesen bewachte es – halb Mensch, halb Idee – der Kurator der Zeit.
Er sprach ruhig:
„Warum wollt ihr zerstören, was die Menschen brauchen? Eine Welt ohne Reue? Eine Zeit ohne Fehler?“
Madame Green Thumb trat vor.
„Weil Leben nicht im Rückblick entsteht. Sondern im Jetzt. In all seinem Mut.“
Der Kurator zögerte. Dann lachte er.
„Dann beweist es.“
Kapitel 6 – Die Prüfung
Sie wurden getrennt.
Jede:r wurde in eine eigene Simulation geschickt – eine Welt, in der die eigenen Zweifel wahr wurden.
- Dschordschi stand vor einem Server voller toter Daten. Nichts funktionierte. Keine Logik. Nur Chaos.
- Mel war in einer Stadt aus Plastikpflanzen – grün, aber ohne Leben.
- Lunara war in einer Schule der Konformität, wo jede Frage bestraft wurde.
- Pixel war in einer Welt ohne Geräusche, ohne Farben – nur Zahlen, endlose, leere Zahlen.
Doch sie fanden zurück.
Nicht durch Technik. Nicht durch Magie.
Sondern durch das, was sie verband:
Familie. Vertrauen. Und die Bereitschaft, Fehler zu machen.
Kapitel 7 – Das Echo der Entscheidung
Sie kehrten zurück zum Kurator.
Pixel hielt das Zeitstimmgerät in der Hand – es vibrierte leicht.
„Wir zerstören es nicht“, sagte Dschordschi.
„Wir lassen es los.“
Lunara griff nach dem Hebel. Madame Green Thumb berührte den Kristallkern.
Der Weisse Wolf nickte.
Und sie deaktivierten die Chronofalle.
Keine Explosion. Kein Lichtblitz.
Nur ein leises „Danke“ – und ein Wind, der nach Lavendel roch.
Epilog – Zuhause
Zurück in Neufahrn.
Der Regen war fort. Die Sonne brach durch die Wolken.
Im Garten blühte eine neue Pflanze – niemand hatte sie gepflanzt.
„Ich nenne sie ‘Vielleichtblüte’“, sagte Lunara.
„Erinnerung daran, dass wir entscheiden.“
Pixel baute das Zeitstimmgerät zum Lautsprecher um.
Er spielte ein Lied. Es war schief, unperfekt – aber es brachte sie alle zum Lachen.
Und der Weisse Wolf?
Er schaute auf den Horizont.
Und flüsterte:
„Zeit… ist nicht das, was vergeht.
Sondern das, was wir daraus machen.“